Presseinformation vom 29.04.2025

Besorgniserregende Entwicklungen im Justizministerium gefährden österreichische Bio-Ziele

Vermeintliches Sparen an Bio-Lebensmitteln verursacht Milliardenkosten für die gesamte Gesellschaft

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Die jüngsten Entwicklungen im Justizministerium drohen, die mühsam erarbeiteten Bio-Ziele Österreichs zu untergraben. Besonders besorgniserregend: die verbindlichen Vorgaben für den Einsatz von Bio-Lebensmitteln in öffentlichen Kantinen soll gelockert werden.


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Die jüngsten Entwicklungen im Justizministerium drohen, die mühsam erarbeiteten Bio-Ziele Österreichs zu untergraben. Besonders besorgniserregend: die verbindlichen Vorgaben für den Einsatz von Bio-Lebensmitteln in öffentlichen Kantinen soll gelockert werden.
 
Wien, im April 2025 – Die verbindlichen Bio-Quoten in öffentlichen Kantinen sollen gelockert werden. Diese Maßnahme stellt einen gravierenden Rückschritt in der nachhaltigen Beschaffungspolitik dar und gefährdet das Ziel, bis 2030 einen Bio-Anteil von 55% in der Gemeinschaftsverpflegung zu erreichen. Die Beibehaltung dieser Ziele ist jedoch entscheidend für die ökologische Zukunftsfähigkeit Österreichs: Natürliche Ressourcen werden geschützt und versteckte Folgekosten, die letztlich von ganz Österreich getragen werden, reduziert. OECD schätzt die externen Kosten der Landwirtschaft auf EUR 78-157 Mrd – das entspricht etwa 0,5-1% des Bruttoinlandsprodukts der EU.
 
Bioregionale Landwirtschaft bietet Milliardenpotenzial für Umwelt und Gesellschaft
Bei jeder Bestellung und jedem Einkauf von Lebensmitteln begleichen die Österreicherinnen und Österreicher unwissentlich ein zweites Mal die Rechnung: Über Steuern werden die Folgekosten der nicht biologischen regionalen Landwirtschaft  durch die Bevölkerung mitfinanziert. Diese mangelnde Kostenwahrheit in der Landwirtschaft verursacht EU-weit jährlich zwischen 78 und 157 Milliarden Euro an externen Kosten – das entspricht etwa 0,5-1% des Bruttoinlandsprodukts. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Untersuchung der Bewegung "Enkeltaugliches Österreich" (ETÖ).
 
Milliardenschwere Umweltkosten bleiben unsichtbar
Ökologische Auswirkungen der konventionellen Landwirtschaft sind erschreckend und kostspielig: Treibhausgasemissionen aus dem Agrarsektor (besonders die Produktion von Kunstdünger) machen 10-12% der Gesamtemissionen der EU aus – mit jährlichen Kosten von 50-100 Milliarden Euro. Der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt belastet den europäischen Haushalt mit geschätzten 5-10 Milliarden Euro pro Jahr. Wasserverschmutzung und übermäßiger Wasserverbrauch schlagen mit weiteren 4-7 Milliarden Euro zu Buche, während die Luftverschmutzung zusätzliche 5-10 Milliarden Euro jährlich verschlingt. Hinzu kommen gesundheitliche Folgekosten durch Pestizideinsatz von schätzungsweise 2-5 Milliarden Euro jährlich. Diese Zahlen bleiben der Öffentlichkeit meist im Verborgenen.
 
Kontrollierte Bioregionalität gibt Grund zur Hoffnung
Dem gegenüber steht ein massiv ungenutztes Potenzial einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion: Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität könnten in der EU jährlich einen Nutzen von geschätzten 10-15 Milliarden Euro generieren. Verbesserungen in der Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffbindung haben einen potenziellen Wert von 5-15 Milliarden Euro pro Jahr. Die Förderung von Wasserqualität trägt weitere 1-2 Milliarden Euro bei. Zudem stärken nachhaltige Ansätze ländliche Gemeinschaften und schaffen eine jährliche Wertschöpfung von bis zu 5 Milliarden Euro.
 
ETÖ Forschungsprojekt zur Quantifizierung der Folgekosten für Österreich
Die Bewegung Enkeltaugliches Österreich arbeitet seit 2024 an einer umfassenden Meta-Analyse bestehender Studien und bereitet einen qualitativen Forschungsantrag vor. Unter der Leitung von Prof. Dr. Sigrid Stagl, gemeinsam mit Prof. Dr. Christian Vogl von der BOKU, wollen wir jene Zahlen und Folgen für Österreich berechnen, die noch fehlen", erklärt ETÖ-Vorständin Barbara Holzer. Diese enormen Zahlen aus der EU und die Daten, die wir aus Österreich und Deutschland bereits kennen, verdeutlichen die Notwendigkeit, das Bild der Folgen, Folgekosten und auch der Mehrleistungen der Bio-Bauern zu quantifizieren. Nur so können wir zukunftsfähige Steuerungseffekte im Sinne der Generationenverantwortung entwickeln und umsetzen."
 
Bevölkerung zahlt doppelt, ohne es zu wissen
Eine aktuelle Umfrage, die ETÖ mit dem Marktforschungsinstitut Marketagent gemacht hat, offenbart erhebliche Wissenslücken: Nur etwa ein Drittel der österreichischen Bevölkerung (33,8%) ist mit dem Begriff Kostenwahrheit" vertraut. Weniger als die Hälfte (47%) ist sich bewusst, dass Umweltschäden und soziale Auswirkungen der Lebensmittelproduktion nicht im Produktpreis enthalten sind, sondern von der Allgemeinheit getragen werden. Lediglich 32% wissen, dass die konventionelle Landwirtschaft mit höheren jährlichen Folgekosten für Steuerzahler verbunden ist als die biologische.Unsere Umfrage belegt, dass viele Menschen nicht wissen, dass sie für die Folgekosten konventioneller Landwirtschaft mehrfach bezahlen - einmal beim Einkauf und ein zweites Mal über ihre Steuern," erläutert Barbara Holzer, strategische Leiterin von ETÖ.
 
Umweltbewusstsein ohne entsprechendes Kostenbewusstsein
Die Umfrage zeigt ein interessantes Paradoxon: Während 72% der Österreicherinnen und Österreicher sich der negativen Umweltauswirkungen konventioneller Landwirtschaft bewusst sind – von Pestizid- und Nitratrückständen im Trinkwasser über Biodiversitätsverlust bis hin zu Klimaschäden durch energieintensive Kunstdüngerproduktion – fehlt bei der Mehrheit das Verständnis für die damit verbundenen finanziellen Folgekosten. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Umweltbewusstsein und dem Kostenbewusstsein," erklärt Holzer. Die Menschen erkennen die ökologischen Probleme, verbinden diese aber nicht mit den wirtschaftlichen Folgen, die letztendlich jede und jeder Einzelne über Steuern und Abgaben mitfinanziert."
 
Starker Wunsch nach bioregionaler Zukunft
Trotz vorhandener Wissenslücken besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens über den Lösungsweg: 84% der Befragten wünschen sich, dass Folgekosten durch eine verstärkte, kontrolliert bioregionale Lebensmittelproduktion vermindert werden, um diese Produkte für Verbraucherinnen und Verbraucher günstiger zu machen. Eine überwältigende Mehrheit (83%) möchte, dass der Staat die bioregionale Landwirtschaft stärker fördert, um zur Verringerung der Folgekosten beizutragen. Besonders deutlich ist die Zustimmung (72%) zur Forderung, in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern oder Behörden verstärkt bioregionale Produkte zu verwenden. Die Umfrage zeigt deutlich: Die Österreicherinnen und Österreicher wollen eine Landwirtschaft, die langfristig die natürliche Versorgungssicherheit unseres Landes erhält und nicht nur kurzfristig, auf Kosten der nächsten Generationen wirtschaftet. Sie sind bereit für Veränderung und erwarten entsprechendes Handeln von der Politik", fasst Holzer zusammen.

Über die Bewegung Enkeltaugliches Österreich
Enkeltaugliches Österreich ist eine Bewegung des 2019 gegründeten Vereins "Verein für eine enkeltaugliche Umwelt". Die Bewegung besteht aus Bio- und Wald Bäuerinnen und Bio-Bauern, renommierten Forscher:innen, nachhaltigen Unternehmen, naturnahen Organisationen und motivierten Privatpersonen, die eigenverantwortlich und unabhängig für eine enkeltaugliche Umwelt eintreten. Ziel ist, die Österreichische Landwirtschaft, Wälder, Landschaft und Wirtschaft enkeltauglich zu machen. Es geht darum, nachhaltige Akteur:innen und engagierte Menschen österreichweit zu vernetzen, einen konkreten Maßnahmenplan weiterzuentwickeln, diesen auch selbst umzusetzen und nicht zuletzt, durch eine gemeinsame Kommunikation, für eine breite Bewusstseinsbildung zu sorgen.

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Kathrin Pauser

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